· Niklas Berliner

Ausgleichsenergie

Wann Ausgleichsenergie einen elementaren Baustein der eigenen Energiebeschaffung darstellt.

Wann Ausgleichsenergie einen elementaren Baustein der eigenen Energiebeschaffung darstellt.

Sollten Sie vor der Herausforderung oder dem Wunsch stehen, Ihren Energieeinkauf aktiv zu gestalten, werden Ihnen viele Themen begegnen, die Ihre Aufmerksamkeit einfordern. So sicherlich auch die Ausgleichsenergie und welche möglichen Kosten und Risiken damit für Sie verbunden sind. Sie können die Ausgleichsenergie als einen Risikobeitrag verstehen, der zusätzlich zu Ihren Beschaffungskosten anfallen kann - aber nicht muss. Im Folgenden gehe ich detailliert auf die Preisbildung der Ausgleichsenergie ein und erläutere, warum wir glauben, einen Beitrag zu Ihrem autarken Energieeinkauf leisten zu können. Gleichzeitig umreiße ich, unter welchen Bedingungen die Ausgleichsenergie wenig Einfluss auf Ihr Betriebsergebnis zu nehmen scheint und warum Sie trotzdem von einer guten Marktanbindung profitieren.

Um das Konzept der Ausgleichsenergie und deren Preisgestaltung zu verstehen, lohnt es sich, sich die Dichotomie des Stromnetzes in den physikalischen und den betriebswirtschaftlichen Teil zu vergegenwärtigen. Wird ein physikalisches System betriebswirtschaftlich betrieben, ergeben sich spannende und komplexe Herausforderungen. So auch beim Stromnetz, das gerne mal mit der “komplexesten und größten Maschine, die je gebaut wurde” phrasiert wird [ link ].

Viele der Themen, die Ihnen bei der Beschäftigung mit dem Stromnetz begegnen, wie z.B. auch die Frage nach der Ausgleichsenergie, lässt sich, meiner Auffassung nach, am besten nach einem tl;dr Absatz verstehen.

Was meine ich mit dem physikalischen System, das betriebswirtschaftlich betrieben wird? Das Stromnetz ist in unserem täglichen Erleben natürlich die zu jedem Zeitpunkt zur Verfügung stehende Energie, die unsere Lampen erleuchtet, die Steckdosen “funktionieren” lässt, Maschinen antreibt und auch für (digitale) Infrastruktur wie Funkmasten essenziell ist. Hier gilt das oft zitierte Credo, dass die eingespeiste Leistung gleich der entnommenen Leistung ist (ich schreibe hier bewusst ist und nicht sein muss). Dieses Bild des “jetzt” bildet den physikalischen Teil, der allerdings nur einen Aspekt der Maschine „Stromnetz“ darstellt. Ein weiterer Aspekt ist die Koordination aller am Netz beteiligter Akteure, die mit ihren (geplanten) Aktionen im Zulauf auf den Zeitpunkt “jetzt” einen Einfluss auf das Netz nehmen. Vereinfacht gesagt geht es bei der Koordination aller Akteure (Stromproduzenten sowie –abnehmer) darum, sicherzustellen, dass die geplante produzierte Menge der geplanten abgenommenen Menge entspricht — die Bilanz also ausgeglichen ist. Dieser Aspekt stellt den betriebswirtschaftlichen Teil dar. Klingt kompliziert? Ist es leider auch.

Um das physikalische Gleichgewicht einzuhalten, gibt es explizite und implizite Mechanismen. Explizite Mechanismen sind z.B. die Primär- und Sekundärreserven sowie die Kapazitätsreserven (siehe link und link für mehr Details). Der wichtigste implizite Mechanismus ist sicherlich die inhärente Trägheit des Systems, die insbesondere durch die rotierenden Massen der konventionellen Kraftwerke gegeben ist (ein weiteres spannendes Thema, das zunehmend an Bedeutung gewinnt, siehe z.B. link ). Für das betriebswirtschaftliche Gleichgewicht, das natürlich eine direkte Auswirkung auf das physikalische Gleichgewicht hat, gibt es ebenfalls verschiedene Mechanismen und Instrumente (so z.B. die SPOT Märkte von EPEX und Nord Pool). Soviel zum tl;dr.

Falls Sie sich damit beschäftigen, die Energiebeschaffung selbst in die Hand zu nehmen, werden Sie automatisch aktive:r Akteur:in am Stromnetz. Als aktive:r Akteur:in wird dann einer der Mechanismen, die dazu dienen sollen, das betriebswirtschaftliche Gleichgewicht des Netzes einzuhalten, für Sie relevant: die Ausgleichsenergie . Warum ist diese im Kontext der MPC Energieprognose relevant?

Wie oben erwähnt, wird von den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) (Leistungs-)Reserve bereitgehalten um das Stromnetz zu stabilisieren. Die Kosten, die hierdurch entstehen werden über die Erlöse der sog. Ausgleichsenergie getragen. Es ist dabei wichtig anzumerken, dass die Ausgleichsenergie keine Energie im physischen Sinne darstellt, sondern dass es sich dabei um ein Konstrukt der betriebswirtschaftlichen Seite des Stromnetzes handelt. Das Netz ist in (betriebswirtschaftliche) Bilanzkreise unterteilt, deren Energie Zu- und Abflüsse viertelstündlich ausgeglichen werden müssen. So muss einem Energieverbrauch z.B. ein Energieeinkauf gegenüberstehen um einen Bilanzkreis auszugleichen. Ist ein Bilanzkreis nicht ausgeglichen, muss Ausgleichsenergie verbucht werden um die Bilanz auszugleichen. Tätigen Sie den Energieeinkauf selbst und sind Ihr eigener Bilanzkreisverantwortlicher, tragen Sie auch die Kosten der anfallenden Ausgleichsenergie.

Was hat MPC nun mit Ausgleichsenergie zu tun? Als Bilanzkreisverantwortlicher sind Sie verpflichtet viertelstündliche Prognosen Ihres Energiebedarfs an den ÜNB zu melden. Weicht die Prognose von dem tatsächlich aufgetretenen Energiefluss ab, fällt Ausgleichsenergie an (um die Bilanz auszugleichen). Da Ausgleichsenergie im Durchschnitt Kosten bedeuten, haben Sie einen finanziellen Anreiz möglichst wenig Ausgleichsenergie bilanzieren zu müssen. Entweder prognostizieren Sie Ihren Energiebedarf möglichst präzise, oder, noch besser, Sie passen Ihren Energiefluss möglichst geschickt an Ihre möglichst präzise Prognose an. MPC to the rescue? Finden wir auch!

Der Preis der Ausgleichsenergie in Deutschland wird dabei anhand eines komplexen Regelwerks von den vier ÜNBs (50Hertz, Amprion, TransnetBW, TenneT) bestimmt [ link ]. Nicht nur ist die Bestimmung komplex, sie kann auch erst ex-post erfolgen und die möglichen Kosten, die durch die Ausgleichsenergie anfallen, lassen sich schlecht antizipieren (welch bilanzieller Albtraum). Der Preis setzt sich im Wesentlichen aus drei sogenannten Modulen zusammen, die jeweils eine eigene Funktion bei der Preisbildung erfüllen sollen. Der abschließende Preis wird dann als das Minimum (bei negativem Saldo des deutschen Netzregelverbundes (NRV) – bei Überspeisung, d.h. mehr Energieproduktion als Nachfrage) oder Maximum (bei positivem NRV-Saldo) der drei Module festgesetzt. Der genaue Mechanismus zur Berechnung der Preise je Modul soll nicht Gegenstand dieses Blogeintrages sein, im Folgenden sind nur die Funktionen, die die Module erfüllen sollen, beschrieben.

  • Modul 1: Die Basiskomponente Für die Basiskomponente wird der viertelstündliche Preis, der für die Systemdienste aFRR und mFRR von den ÜNBs gezahlt werden muss, zugrunde gelegt. Er spiegelt damit die grundsätzlichen Kosten, die zur Systemstabilisierung aufgewendet wurden, wider.

Um zu verstehen, warum es nicht bei diesem einen Modul zur Preisbestimmung bleiben kann, ist es hilfreich, sich wieder die zwei Seiten des Stromnetzes, das heißt die physikalische und die betriebswirtschaftliche Seite, ins Bewusstsein zu rufen. Die betriebswirtschaftliche Sicht zielt rein auf den Preis, um zu bestimmen, ob sich Maßnahmen zur Vermeidung von Ausgleichsenergie rechnen oder eben nicht. Es könnte also vorteilhaft sein, bewusst ein Bilanzkreisungleichgewicht einzugehen, wenn die Kosten zur Bereitstellung von aFRR und mFRR als niedrig eingeschätzt werden. Die tatsächliche Menge an Reserven ist jedoch begrenzt und das klassische Angebot-Nachfrage-Gleichgewicht der Volkswirtschaftslehre kann sich nur bis zu einem gewissen Punkt einstellen. Nachfrage nach Reserveenergie, die darüber hinausgeht, führt zu Systeminstabilität oder gar einem Blackout. Ergänzt wird dieses Modul deswegen durch zwei weitere Module, um dieser Problematik entgegenzuwirken.

  • Modul 2: Die Anreizkomponente Dieses Modul liegt dem deutschen Intraday-Spotmarkt Preis zugrunde. Bei ausreichender Liquidität an den Spotmärkten ist es Bilanzkreisverantwortlichen möglich, kurzfristige Änderungen an ihrem Fahrplan durch Handel auf dem Spotmarkt auszugleichen. Angenommen, Sie haben einen unerwarteten Ausfall einer Produktionsmaschine und können die geplante Strommenge nicht abnehmen. In diesem Fall hätten Sie die Möglichkeit, diese auf dem Spotmarkt zu verkaufen. Den Anreiz, dies zu machen, haben Sie allerdings nur, solange die Kosten der anfallenden Ausgleichsenergie größer sind als die möglichen Einbußen, die Sie durch den Handel hinnehmen müssten. Um dies zu gewährleisten, gibt es einen Mindestabstand zwischen dem Intraday Preis und der Anreizkomponente von 25 % und mindestens 10 €/MWh.

Auch wenn es der Name “Anreizkomponente” nicht direkt vermuten lässt, ist der Anreiz, seine Bilanz über den Spotmarkt auszugleichen, nicht für das Einkaufen und Verkaufen von Energie gleichmäßig gegeben. Der Grund liegt in dem Mindestabstand zum Intraday Preis - liegt der Preis höher, kann es sich lohnen, statt die eigene Position auf dem Spot Markt zu verkaufen, diese als Ausgleichsenergie zu verbuchen (und umgekehrt). Mehr dazu später.

Aufbauend auf diesen beiden eher betriebswirtschaftlich gedachten Modulen gibt es eine weitere Komponente in der Preisgestaltung, die den physikalischen Eigenschaften des Stromnetzes geschuldet sind.

  • Modul 3: Die Knappheitskomponente Da die Reserven, die von den ÜNBs eingesetzt werden können, begrenzt sind, ist es wichtig, diese nicht maximal ausschöpfen zu müssen, um für etwaige unvorhergesehene Notfälle wie Kraftwerksausfälle weiterhin Reserven vorzuhalten. Hier greift die Knappheitskomponente, die die Kosten der Ausgleichsenergie weiter in die Höhe treibt, sobald die eingesetzte Regelleistung 80 % der maximal verfügbaren Leistung erreicht.

Als letzter Faktor ist noch die Kapazitätsreserveverordnung anzumerken, die greift, sobald die tatsächlichen Kapazitätsreserven , das heißt Kraftwerkskapazitäten, die nicht am Markt teilnehmen, aktiviert werden müssen. Dies ist erst dann der Fall, wenn alle anderen Mechanismen ausgeschöpft sind und der Preis der Ausgleichsenergie wird dann maximal angehoben, um dem Eintreten dieses Falles entgegenzuwirken.

Zusammengenommen bilden die drei Module und die Kapazitätsreserveverordnung den Preis der Ausgleichsenergie, sodass es günstiger ist, keine oder nur eine geringe Ausgleichsenergie verbuchen zu müssen und stattdessen andere Möglichkeiten zum Ausgleich der eigenen Bilanz zu nutzen. Eine Besonderheit, die hier noch erwähnt werden soll, ist dass eine unausgeglichene Bilanz auch zu Einnahmen führen kann. In zwei Fällen zahlt der ÜNB an die Bilanzkreisverantwortlichen. Bei positivem reBAP und überdecktem BK-Saldo sowie bei negativem reBAP und unterdecktem BK-Saldo.

Betrachtet man die historischen Daten des reBAP, stellt man schnell fest, dass dieser überwiegend positiv war und ein überdeckter Bilanzkreis entsprechend von Einnahmen durch die Ausgleichsenergiezahlungen ausgehen kann. Entsprechend könnten Sie Ihren Einkauf darauf ausrichten, mehr als Ihren prognostizierten Bedarf einzukaufen. Die überschüssige eingekaufte Energie würden Sie in den meisten Fällen vergütet bekommen. Nun ist diese Strategie nicht nur risikobehaftet (es besteht keine Garantie, dass der reBAP weiterhin überwiegend positiv bleibt), sondern es entstehen Ihnen auch Opportunitätskosten! Diese rühren von dem Mindestabstand aus Modul 2 her, den Sie als zusätzlichen Erlös, bei Ausgleich Ihres Bilanzkreisungleichgewichts über den Spotmarkt, erhalten könnten. Ausschlaggebend dafür, ob der Preis der Ausgleichsenergie gegenüber dem Spotmarkt angehoben oder abgesenkt wird, ist das Vorzeichen des NRV-Saldo (das tatsächlich recht gleichmäßig positiv sowie negativ ausfällt). Entsprechend oft würden Sie über den Spotmarkt höhere Preise erzielen. Anders ausgedrückt könnten Sie diesen Anreiz auch als Ihre Marge für den direkten Handel auf dem Intraday Markt verstehen. ;)

Sollten Sie nun nach verlässlichen Wegen suchen, Ihre Ausgleichsenergie zu optimieren, besprechen wir gerne mit Ihnen, wie wir Ihnen dabei helfen können!